Ob ein Arbeitgeber einem oder gleich mehreren Beschäftigten wegen einer hohen Anzahl krankheitsbedingter Fehlzeiten kündigen darf, hatte ein Gericht zu klären.
(verpd) Eine krankheitsbedingte Kündigung gleich mehrerer Beschäftigter ist rechtsunwirksam, wenn der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit nicht vor den Entlassungen Meldung erstattet hat. Das hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschieden (Az.: 7 Sa 405/21). Allerdings heißt das nicht, dass ein Arbeitgeber grundsätzlich einem Arbeitnehmer nicht doch aufgrund hoher Fehlzeiten kündigen kann.
Ein Arbeitnehmer war in einem größeren Betrieb tätig. Sein Arbeitsverhältnis wurde Ende November 2020 wegen einer höheren Anzahl krankheitsbedingter Fehlzeiten gekündigt. Dieses Schicksal teilte er mit 34 Kolleginnen und Kollegen, welchen ebenfalls aus diesem Grund gekündigt worden war. Der Mann hielt seine Entlassung für unwirksam. Angesichts der Tatsache, dass seine Erkrankungen vollständig ausgeheilt seien, sei sie nicht gerechtfertigt.
Im Übrigen sei die Kündigung seiner Ansicht nach allein schon deswegen nicht rechtswirksam, weil es sein Arbeitgeber versäumt habe, der Agentur für Arbeit vor der Kündigung eine sogenannte Massenentlassungs-Anzeige zu erstatten. Er verklagte darauf hin den Arbeitgeber.
Positive Tendenz
In dem sich anschließenden Kündigungsschutzprozess trug der Unternehmer vor, dass eine derartige Anzeige bei krankheitsbedingten Kündigungen nach seiner Rechtsauffassung nicht erforderlich sei. Denn die überdurchschnittlichen Fehlzeiten des Mannes hätten eine negative Gesundheitsprognose indiziert. Dieser Argumentation schlossen sich jedoch weder das in erster Instanz mit dem Fall befasste Düsseldorfer Arbeitsgericht noch das Landesarbeitsgericht der Stadt an. Beide Gerichte gaben der Klage des Gekündigten statt.
Nach Ansicht der Richter begründet allein schon die kurzfristig erforderliche Anpassung der Dienstpläne des Klägers für sich gesehen keine erhebliche Betriebsstörung, welche eine Entlassung rechtfertigen könnte. Denn dabei handele es sich um Maßnahmen, welche jedem krankheitsbedingten Arbeitsausfall immanent seien.
Zwar sei der Betroffene 2018 an 61 Tagen, 2019 an 74 Tagen und 2020 an 45 Tagen arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Derartige Ausfallzeiten begründeten nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedoch noch keine für eine Kündigung notwendige negative Gesundheitsprognose. Angesichts dieser Zahlen könne auch nicht von einer für den Arbeitgeber unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung ausgegangen werden. Zusätzlich ließen die Ausfalltage des Jahres 2020 eine abfallende Tendenz erkennen, die keine negative Prognose rechtfertige.
Versäumte Massenentlassungs-Anzeige
Im Übrigen sei die Kündigung des Mannes allein schon aus einem weiteren Grund rechtsunwirksam. Denn der Unternehmer habe es trotz der größeren Anzahl krankheitsbedingter Entlassungen versäumt, der Arbeitsagentur vor Ausspruch der Kündigungen eine sogenannte Massenentlassungs-Anzeige zu erstatten.
Dazu sei er jedoch gemäß Paragraf 17 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) verpflichtet gewesen. Denn nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck des Gesetzes bestehe die Anzeigepflicht auch bei krankheitsbedingten Massenentlassungen.
Angesichts dieser ihres Erachtens eindeutigen Rechtslage sahen die Richter keine Veranlassung, eine Revision gegen ihre Entscheidung zuzulassen.
Wann eine krankheitsbedingte Kündigung rechtens sein kann
Ob prinzipiell eine Krankheit ein rechtmäßiger Grund für eine Kündigung sein kann, hängt unter anderem davon ab, ob für den Arbeitnehmer das KSchG gilt oder nicht. Das KschG gilt nämlich laut Paragraf 23 KSchG nur für Arbeitnehmer, die wenigstens sechs Monate in einem Unternehmen mit mehr als zehn Arbeitnehmern tätig sind und nach dem 31. Dezember 2003 dort angefangen haben. Für Arbeitnehmer, die länger als seit 2004 bei ihrem aktuellen Arbeitgeber sind und dort Ende 2003 mindestens fünf Arbeitnehmer beschäftigt waren, greift ebenfalls das KSchG.
Arbeitnehmern, für die das KSchG gilt, kann krankheitsbedingt gekündigt werden, wenn sie mehrmals hintereinander erkrankten, für längere Zeit oder dauerhaft krankheitsbedingt arbeitsunfähig waren oder die Krankheit zu einer dauerhaften Minderung ihrer Leistungsfähigkeit geführt hat. Allerdings muss feststehen, dass die Arbeitsfähigkeit auch in nächster Zeit nicht wiederhergestellt werden kann und aufgrund der noch zu erwartenden krankenbedingten Fehlzeiten eine erhebliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen oder betrieblichen Interessen des Arbeitgebers droht.
Des Weiteren muss die Abwägung der Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers zugunsten des Arbeitgebers ausfallen, damit eine krankheitsbedingte Kündigung rechtens ist. Konkret muss geprüft werden, inwieweit es dem Arbeitgeber zuzumuten ist, den Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen. Zu berücksichtigen sind dabei unter anderem das Alter oder der Familienstand des Betroffenen, aber auch, inwieweit die Arbeitsunfähigkeit berufsbedingt war. Ist nur eine der genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, ist eine krankheitsbedingte Kündigung nicht rechtens.
Kostenschutz für einen Rechtsstreit mit dem Arbeitgeber
Arbeitnehmern, für die die KSchG nicht gilt, also die in Unternehmen mit maximal bis zu zehn Beschäftigten arbeiten, kann allerdings wegen einer Krankheit gekündigt werden, ohne dass nur eines der genannten drei Kriterien erfüllt sein muss. Umfassende Ausführungen zu den rechtlichen Regelungen einer Kündigung enthält die downloadbare Broschüre „Kündigungsschutz“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Grundsätzlich gilt jedoch: Auch bei Kleinbetrieben mit bis zu zehn Mitarbeitern darf eine Kündigung nicht aus willkürlichen oder sittenwidrigen Gründen, beispielsweise wegen des Geschlechts, der Abstammung oder der Religion erfolgen. Zudem besteht für bestimmte Personengruppen wie Schwangere oder Schwerbehinderte ein besonderer Kündigungsschutz. Wer sich als Arbeitnehmer ungerecht behandelt fühlt, beispielsweise weil ihm gekündigt wurde, kann prüfen lassen, ob das Vorgehen rechtens ist und gegebenenfalls gerichtlich dagegen vorgehen.
Wenn man allerdings einen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht austrägt, müssen der Arbeitnehmer wie auch der Arbeitgeber in der ersten Instanz jeweils ihre eigenen Anwaltskosten selbst tragen – und zwar egal, wer den Prozess gewinnt oder verliert. Kostenschutz für Arbeitsgerichts-Streitigkeiten bietet für Arbeitnehmer eine bestehende Privat- und Berufsrechtsschutz-Versicherung. Eine solche Police übernimmt im Versicherungsfall nämlich die Kosten für derartige, aber auch für zahlreiche andere Streitigkeiten, wenn der Versicherer vorab eine Deckungszusage erteilt hat.